Nun scheint die China-Euphorie verflogen. Und das aus gutem Grund, denn das moderne China hat sich in den letzten Jahren ein weiteres Mal gewandelt und der Drache beginnt immer häufiger seine Zähne zu zeigen: bei den Protesten in Hong Kong, im Umgang mit uigurischen Minderheiten in Xinjiang oder während zahlreicher Militärmanöver im südchinesischen Meer. Insbesondere letztere lösen bei der alten Weltmacht – den USA – Besorgnis aus. Chinas Säbelrasseln kann immerhin als Anzeichen dafür gewertet werden, dass sich das Land der Mitte nicht mehr nur mit wirtschaftlichem Einfluss begnügt, sondern auch dazu bereit ist, seine Interessen militärisch durchzusetzen. Das mittelfristige Ziel der chinesischen Aggressionen zeichnet sich dabei deutlich ab: die demokratische Insel Taiwan. Doch was bedeuten Entwicklungen wie diese für Europa? Es scheint naheliegend, die wirtschaftlichen Abhängigkeiten gegenüber China vorsorglich zu reduzieren. Aber würde das auch bedeuten, dass die EU künftig klar Partei bekennen und die USA in ihren Ambitionen unterstützen sollte? Immerhin ließe sich auch bemerken, dass es die USA in der jüngeren Vergangenheit nicht gerade besser gemacht haben: Krieg im Irak, Massenüberwachung durch die NSA und eine kompromisslose „America-First-Politik“ während der Trump-Jahre. Es sind vermutlich Überlegungen wie diese, die auch dazu führen, dass sich Persönlichkeiten wie Emmanuel Macron für ein unabhängigeres Europa aussprechen und dafür erwartungsgemäß Kritik ernten.